Als mir der Einkaufswagen zum zweiten Mal gegen die Fersen geschoben wurde, wollte ich mich schon entnervt umdrehen. Gerade in diesem Moment beschwerte sich jedoch das Baby auf dem Arm und ich setzte mein neun Monate altes Söhnchen auf die andere Hüfte. Entzückt über seine neue Aussicht quiekte er begeistert in mein Ohr.
Ich konnte seine Freude über den Supermarktbesuch nicht in derselben Weise teilen. Mit einem Seufzer blickte ich auf das Kassenband. Auf meiner Höhe befanden sich lediglich etwas Brot und ein paar Bananen, während um mich herum die Welt einkaufte, als ob die Geschäfte nie mehr öffnen würden. Kurz überlegte ich, ob ich den Sonntag auch ohne diese beiden Artikel überleben würde. Mein Söhnchen gab mir die Antwort, indem er versuchte, sich aus meinem Arm zu winden und an die Bananen zu gelangen. Ich wuchtete ihn zurück auf die linke Seite und stellte mich auf die Zehenspitzen, um einen Blick auf den Kassierer erhaschen zu können. Zu meinem Entsetzen saß er gar nicht am Platz, sondern war in die Gemüseabteilung verschwunden. Anscheinend hatte die Kundin, die gerade ihre Einkäufe in ihre Tasche packte, vergessen, die Tomaten abzuwiegen. Hinter mir scharrte etwas. »Wenn mich noch einmal jemand mit dem Einkaufswagen rammt, dann raste ich aus!«, dachte ich.
Der erwartete Stoß gegen meine Füße blieb aus. Stattdessen spürte ich etwas anderes. Einen leichten, warmen, etwas unregelmäßigen Atem in meinem Nacken. Mein Herz begann schneller zu klopfen und meine Armhärchen stellten sich auf. »Unverschämtheit!«, schoss es durch meinen Kopf. Anscheinend hatte die Person hinter mir den Platz mit ihrem Einkaufswagen getauscht. Eineinhalb Meter Sicherheitsabstand, das hatten wir doch alle während der Corona-Pandemie gelernt! Und jetzt rückte mir jemand dicht auf die Pelle und atmete mich – bestimmt ohne Maske – permanent an.
Endlich bewegte sich das Kassenband und ich trat erleichtert einen Schritt nach vorne. Lediglich ein Kunde stand noch vor mir, das Ende der Schlange war in Sicht. Ich spitzte die Ohren, um zu überprüfen, ob die Person hinter mir aufrücken würde, doch ich hörte und spürte nichts. Daher wechselte ich die Position des Babys und ließ ihn über meine Schulter gucken.
Anscheinend hatte er zu freundlich gelacht, denn nur Sekunden später hörte ich direkt einen Huster hinter mir. »Das geht jetzt wirklich zu weit!«, schrie ich innerlich. »Mein Baby bekommt doch Aerosole ab! Und das in Zeiten der bevorstehenden Herbstwelle!« Mit Schwung hob ich meinen Sohn von der Schulter und legte ihn auf das Kassenband, so dass er ein Stück mitfahren konnte. Während er begeistert die Lichtinstallation des Supermarktes an der Decke bewunderte, überlegte ich, was ich der Person hinter mir sagen könnte, um sie dazu zu bewegen, einen angemessenen Abstand zu mir und meinem Kind einzuhalten.
»Entschuldigen Sie, Sie stehen zu dicht an mir dran.« Eine direkte, offene Forderung schien mir etwas unangebracht. Vielleicht lieber in aufrichtige Sorge verpackt? »Entschuldigen Sie, aber Sie tragen keine Maske, und mir wäre wohler, wenn Sie etwas Abstand halten könnten.« Auch bei diesem Argument kam ich mir lächerlich vor, ich trug ja selbst keine. Oder mit einer Lüge: »Entschuldigen Sie, aber ich fühle mich nicht besonders wohl, vielleicht halten Sie sich lieber etwas fern von mir.« Oder mit Ablenkung: »Entschuldigen Sie, könnten Sie mir vielleicht von hinten noch eine Tüte vorreichen?« Für meine zwei Teile? Unglaubwürdig.
Während mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete, zahlte der Kunde vor mir endlich seinen Einkauf. Etwas beruhigter nahm ich das Baby wieder vom Band hoch und ging nach vorne zur Kasse. Bereits nach wenigen Momenten hörte ich die Frage des Kassierers, ob ich bar oder mit Karte zahlen möchte.
Gerade als ich antworten wollte: „Mit Karte, bitte“, spürte ich wieder den warmen, feuchten Atem im Nacken. Mein Puls schnellte auf hundertachtzig hoch. Jeder, wirklich jeder auf diesem Planeten weiß, wie unhöflich es ist, wenn man sich direkt hinter jemandem positioniert, der gleich seine Geheimzahl eintippen wird. Es reichte!
Mit rotem Kopf fuhr ich herum, um die Person hinter mir nach allen Regeln der Kunst zur Schnecke zu machen. Mein Mund war geöffnet, gerade wollte ich loskeifen – da sah ich, wer hinter mir stand. Die wütenden Wörter blieben mir im Hals stecken. Ein alter Mann, etwa achtzig Jahre alt, er trug eine Kappe, die er tief ins Gesicht gezogen hatte, und eine beige Jacke, viel zu warm für diese Jahreszeit. In seinen runzeligen Händen hielt er seine Brieftasche fest, vielleicht hatte er Angst, sie zu verlieren. An seinem Arm baumelte ein brauner, abgetragener Einkaufskorb. Hinter ihm auf dem Kassenband lagen Dosensuppen, Tiefkühlgerichte, etwas Wurstaufschnitt und ein paar Flaschen Bier.
Für ein paar Sekunden blickten wir uns in die Augen. Ich sah seine tiefe Verunsicherung, seine zittrigen Finger und seine auf dem Band platzierten Waren, die das Wort »Einsamkeit« förmlich in die Welt hinausbrüllten. Meine geplante Schimpftirade zerplatzte. Der Kassierer hakte ungeduldig nach: »Wie möchten Sie bezahlen?« Ich atmete tief durch, lächelte den alten Mann an und fragte: »Könnten Sie bitte kurz das Baby halten, bis ich die Bankkarte aus meinem Rucksack herausgekramt habe?« Mit freudigem Blick legte er Brieftasche und Korb in seinen Einkaufswagen und breitete die Arme aus.

Anne Hechenberger
Anne Hechenberger
Geboren 1987 in Freising, ist tagsüber als Mutter und Lehrerin voll ausgelastet. Des Nachts jedoch setzt sie sich am liebsten an ihren Laptop und heckt spannende Kurzgeschichten aus. Seit 2019 nimmt sie regelmäßig an Schreibwettbewerben teil und freut sich über jede Veröffentlichung. Ihre heimliche Leidenschaft gilt Sushi, Kino (nur mit Popcorn) und Freizeitparks.