Ligurien im April, wunderbare Landschaften, kontrastreich – das Meer und der Berg – Dörfer kompakt hineingebaut, dazwischen viel Grün, Kastanienwälder so weit das Auge reicht und da wieder kompakt ein Dorf, Haus an Haus, Tür an Tür – eine Augenweide. Wir hatten uns informiert und von einem Fest gehört, das in einem kleinen Dorf stattfinden sollte, für das sämtliche umliegenden Gemeinden ihre jeweiligen Spezialitäten zubereiten, liebevoll und mit Stolz, sensibel.
Das war unser Ziel an jenem angenehm warmen Frühlingstag. Wir fuhren los, kamen jedoch nicht allzu weit. Da ein Dorf, dort eine Kirche, der Friedhof, hier ein Markt, wir ließen uns treiben, hatten Zeit, nichts zu versäumen und das war gut so. Immer weiter ging es durch dichte Wälder, der Drang nach dem Besonderen, nach dem Einzigartigen führte uns auf Wege, die eben auch „besonders“ waren – holprig, erdig, löchrig, bewegt, eher für Geländewagen und Traktoren geeignet … ja, die Suche nach Authentizität führt manchmal
auf Pfade, die nicht wirklich für Touristen gedacht sind … dafür umso spannender! Stunden vergingen, so langsam wurden wir hungrig!
Das Dorf mit dem angekündigten Fest konnte und durfte einfach nicht mehr fern sein. Und da, nicht weit vor uns, lag es, gut erkennbar der Festplatz, nur kurz kam ein Zweifel auf, denn es war mittlerweile Abend geworden. Voller Vorfreude entschieden wir, tapfer etwas außerhalb zu parken und langsam durch das Dorf zu spazieren, bis hin zum Fest. Gesagt, getan – es war ein schöner Tag, mit vielen Eindrücken, Begegnungen, nun in Ruhe Gaumenfreuden zu
Verspeisen, würde ein Genuss werden, wir freuten uns!
Der Festplatz bestand aus einem einfachen rechteckigen Haus, darin wurde gekocht, davor der Festplatz an sich, ein wunderbarer Kastanienhain. Ein langer Festtisch war angerichtet, sich rege unterhaltende Menschen saßen da, lachten, hörten zu, sangen. Schon bald wurde uns
klar, das waren die Organisatoren, die unter sich das bereits abgeschlossene Fest gemütlich ausklingen ließen, einige waren schon beim Aufräumen, Reste Einpacken.
Schade und – na ja – so langsam auch ein wenig schlimm, denn der Hunger machte sich immer stärker bemerkbar. Vielleicht haben sie uns das angesehen? Jedenfalls sind einige auf uns zugekommen und wir haben enttäuscht preisgegeben, vom Fest gelesen, es aber verpasst zu haben, wir wären der Meinung gewesen, auch am Abend …
Dann ging es los, im Nu waren zehn Personen im Einsatz, ein Tisch mit zwei Stühlen, weiße Papiertischdecke darauf, herrlich platziert unter den riesigen Kastanienbäumen – sedetevi prego! Wir sollten uns setzen. Antipasto, Vorspeise, Wasser, Wein, Haupt- und Nachspeise,
sämtliche Spezialitäten der umliegenden Gemeinden – wie eben angekündigt – wurden aufgetischt, mit Ruhe, nach und nach. Kaffee zum Schluss und dann noch vom Assessore – dem Gemeindevertreter für Tourismus – persönlich ein Brotlaib, eine Besonderheit des weitläufig bekannten Dorfbäckers.
Sie bedienten uns zu zweit, zu dritt, zu viert, hatten Freude daran, es schwang sogar etwas Konkurrenz mit, denn jeder brachte eben DIE Spezialität aus seinem Dorf, erklärte das Gericht und beobachtete unsere Reaktionen. Nach anfänglichem Zweifel – denn das Fest war
ja offensichtlich vorbei – genossen wir es in vollen Zügen, derartig verwöhnt zu werden.
Ein wunderbarer Tag, der langsam in die Dämmerung überging, und wir alleinige Gäste in diesem Dorf am Ende der Welt! Es war an der Zeit aufzubrechen, wirklich satt waren wir und einfach nur glücklich. Als wir bezahlen wollten, wurden wir umringt von diesen Menschen, wir sollten gar nicht daran denken, keinen Centesimo dürften wir bezahlen. Etwas verlegen versuchten wir fast darauf zu bestehen, wir wären doch so herrlich verwöhnt worden, warum sollten wir also nicht … Aber nein, hieß es: „Siete i fortunati ultimi arrivati!“ Nicht nur die Tatsache, dass wir nichts bezahlen durften, dieses Geschenk, als „die gesegneten letzten Festgäste“ so festlich bewirtet zu werden, war für uns das Unvergessliche an diesem Erlebnis: diese Selbstverständlichkeit, die Selbstlosigkeit, mit der wir „Fremde“ so herzlich eingeladen wurden.
Ab und zu erinnern wir uns wieder an dieses Erlebnis, an dieses Gefühl, und es zaubert uns ein Lächeln aufs Gesicht, das uns für einen Augenblick glücklich stimmt. Es ist das Glück der „fortunati ultimi arrivati“.