Einer von den alten Farbfilmen, unverschämt bunt. John Wayne streckt die Beine durch und drückt den Arsch nach hinten. Mir fallen die Augen zu. Dann noch einmal, und noch einmal. Neben mir raschelt es in der Bettwäsche. Sie will aufstehen, ich halte sie an der Schulter zurück und drücke sie wieder in die Bettwäsche, die raschelt. Alles zu, alles schläft, sage ich ihr ins Ohr, sogar der Pianist liegt mit dem Kopf schon auf den Tasten, sage ich zu ihr, doch ich flüstere in den Polster. Ich bin alleine.
Ist sie also doch aufgestanden. Ich ziehe mir Socken an und in den Gängen suche ich nach ihr.
Die Sonne steckt hinten in den Bergen fest und das Licht fällt schräg von oben auf der Terrasse ein. Die Kellner bewegen sich darin in Zeitlupe und doch wackeln die vollen Tabletts auf ihren Schultern bedenklich, wenn sie zwischen den wenigen Tänzern auf die Tische zukommen. Die Musik spielt Hotel-Standards und Sehnsuchtslieder und nebenan fragt sich jemand laut: Ist es nicht unglaublich still hier? Ich sehe mich um, lege meinen Kopf an den Rand des Glases und höre das Meer rauschen.
Langsam füllen sich die Tische und die Tanzfläche. Die Damen lassen sich das Dessert auf der Terrasse servieren, die Herren ihre Zigarren. Sie haben bemerkt, dass es für die Jahreszeit noch angenehm warm hier draußen ist. Dann hängen sich die Damen ihre Herren um die Schultern und schleppen sie zur Tanzfläche. Die Musik wird lauter, die Sonne hat es doch noch hinter die Berge geschafft und ich habe mir erlaubt, mich zurückzulehnen.
Wir spielen Billard, sie gewinnt. Allein schon, weil sie ein so schönes Kleid trägt. Ein weißes, beinahe ein Hochzeitskleid. Und wenn sie an den Lampenschirmen vorübergeht, kann man durch den Stoff die volle Länge ihrer Beine sehen. Rund um uns haben sich die Tischnachbarn und Tanzpärchen in den Ledersofas versenkt, da es draußen kälter geworden ist.
Unsere Zuseher klatschen, wenn sie eine der Kugeln in eines der Löcher trifft. Die Kellner servieren bunte Getränke in schmalen Gläsern und die Damen haben ihre Hüte abgenommen. Eine hat ihren auf das Hirschgeweih an der Wand gehängt. Auf der anderen Seite der Glastür spielt die Musik einen Walzer, den die Berge Note für Note wiedergeben. Sonst ist es still auf der Terrasse. Ich weiß das, denn ich war hier draußen, als ich nach ihr gesucht habe.
Am Morgen wieder das selbe Bild: Die Sonne kommt auf der anderen Seite hervor und die Gläser im Salon glänzen. Gleich gibt es Frühstück, der erste Kellner mit seinem Tablett auf der Schulter. Die Musik setzt ein. Ich aber kratze mit meinem Messer auf dem kleinen Teller.
Ich suche meine Frau, sage ich und ziehe den Kellner an seiner Krawatte, fast brülle ich, ich suche meine Frau! Sie sind alleine hier, sagt er. Ich weiß, sage ich, ich weiß, dass Sie das schon von Anfang an wussten.
Die Köpfe an den anderen Tischen drehen sich in meine Richtung und dann wieder zurück zu ihren Tellern, als der Kellner einen seiner Kollegen heranwinkt. Ob ich jetzt abreisen würde, fragen sie mich. Nein, sage ich, denn jetzt beginnt die Geschichte erst so richtig.
Sie habe mich bemerkt, sagt sie, heute beim Frühstück. Sie sei auch alleine hier und ja, sie suche auch nach einem Mann. Dass das ein Missverständnis sei, sage ich, dass ich nicht nach einer, sondern nach meiner Frau suchte. Davon will sie aber nichts hören und es sei doch ein so schöner Abend, sagt sie. Ich drehe mich um, niemand sieht zu uns herüber. Nur ein Kellner nickt mir zu.
Ich beuge mich über den Tisch, so weit, bis mein Gesicht ganz nahe an ihrem ist. Sie wollen doch bestimmt etwas trinken, höre ich mich sagen. Noch während sie nickt, steht der Kellner schon mit zwei vollen, schmalen Gläsern an unserer Seite und lächelt. Ich nehme die Gläser, trinke eines davon leer und drücke ihr das zweite in die Hand. Sie lächelt, der Kellner lächelt immer noch und geht in Zeitlupe rückwärts, da muss auch ich lächeln.
Die Tür hat sie einen Spalt breit offen gelassen und im Spiegel beobachte ich sie, wie sie sich seitenverkehrt abtrocknet. Dass das Wasser in der Wanne noch warm sei, sagt sie und sieht mir über den Spiegel direkt in die Augen. Ich schüttle den Kopf und sehe ihr dabei zu, wie sie sich nach vorne bückt, um das Wasser abzulassen. Dann kommt sie zu mir ins Bett und schläft sofort ein.
Ich bleibe wach und mache den Fernseher an: einer von den alten Farbfilmen, unverschämt bunt. John Wayne streckt die Beine durch und drückt den Arsch nach hinten. Dann noch einmal, und noch einmal.
Ich bin wieder in den Gängen unterwegs, denn jedes Hotel braucht seine Geister, die in den dicken Teppichen ihre Fußabdrücke hinterlassen. Die unten im Keller an der Tür zum Technikraum vorübergehen, ohne sich um die Geräusche dahinter zu kümmern. Die im Aufzug fahren und über Nacht die Flaschen leeren. Die vor fremden Betten stehenbleiben, nur weil darin jemand liegt, der einem ähnlich sieht, den sie gekannt haben.